Mensch - Hintergrundtext
Der 6. Tag
„Adam“, der Mensch, steht in Hebräisch in der Mitte des Bildes, direkt über den Genitalien des Menschen. „Seit fruchtbar und mehret Euch!“ war in der gekürzten Fassung der Tafeltexte nicht steht, im Bibeltext jedoch zu finden ist, wird so vielleicht angedeutet.
Auffällig ist, dass Mann und Frau eine Einheit bilden. Sie tragen ein Gesicht. Ihre Körper werden eins. „Adam“ steht für „Mensch“ und benennt nicht eine einzige Person. So weist der Künstler in dieselbe Richtung wie der Text. Es geht beim Schöpfungsbericht nicht um eine historische Berichterstattung, sondern um die Beziehung des Schöpfers zu seinen Geschöpfen und die Beziehung der Geschöpfe untereinander.
„Beziehung“ ist ein wichtiges Stichwort dieses Bildes.
Mann und Frau gehören gleich berechtigt zusammen. Er ist ohne Sie nicht denkbar und umgekehrt. Die Darstellung des Menschen entlehnt sich der Künstler bei Leonardo da Vinci.
Mann und Frau sind eingebunden in die Herrschaft Gottes, dargestellt durch die Kreise.
Ohne eine Beziehung zum Schöpfer verliert der Mensch Halt, Ordnung und Identität. Als „Ebenbild Gottes“ wird der Mensch geschaffen – was ihn nicht primär zur Herrschaft, sondern vor allem zum Erhalt der Schöpfung beauftragt.
Auch in der Auswahl des Bibelwortes das sich zwischen Himmel und Erde um die Sonne schmiegt, geht es um die Beziehung des Menschen zu Gott: Wohin er auch flieht, er wird seine Gottbezogenheit nicht los (Psalm 139).
Der Mensch lebt in der Beziehung zu seinem Schöpfer, aber auch auf gleicher Ebene mit den Tieren, die der Künstler um ihn herum malt. Wie bei den Vögeln ist die Vielfalt auch bei den Landtieren groß. Wilde Tiere und Haustiere sind genauso vereint wie Raubtiere und deren Beute oder große und kleine Tiere.
Der Künstler hat für die Tiere Vorlagen aus alten Tierbüchern genommen, sie jedoch verfremdet. So bekommt dieses Bild auch humorvolle Züge und man hat den Eindruck, in der Tierwelt spiegelt sich Gefühl und Typologie der Menschenwelt wieder (Man achte auf die Gesichter und Haltungen mancher Tiere!).
Die nach unten verlaufende gelbe Schriftsäule enthält Genealogien (Stammbäume) aus der Bibel. Zuerst werden aus 1.Mose Kapitel 5 und 10 zitiert, dann Matthäus 1,1-17. Gerade letzteres Zitat zeigt, dass der Künstler die Entwicklung des Menschen bis zur Geburt Jesu weiterführt. Er wird im Neuen Testament als der „neue Adam“ gesehen, in dem der Mensch seine Vollendung findet. Da dies die Einheit mit Gott und zum Nächsten zum Inhalt hat und nicht etwa moralisch zu verstehen ist, passt die Wahl des Textes gut zum Beziehungsthema des Bildes.
Auch die in diesem Bild durch die Anordnung der Felder, die feinen Linien und die Haltung des Menschen entstandene Kreuzform ist Absicht des Künstlers und zeigt auf, wie sehr er die Schöpfung von Christus her interpretiert.
Die Schrift ist umgeben von Licht durchflutetem Wasser, wieder ein Hinweis auf positive Perspektiven für die Zukunft.
Etwas bedrohlich dagegen wirkt das obere Drittel des Bildes. Die dunklen Wolken links und das Licht weiter rechts nehmen den Gedanken des 139. Psalm auf, wo es um Finsternis und Licht als Zufluchtsorte geht. Die Vögel unterstreichen die Bewegung des Psalms und damit des Bildes. Es ist nicht klar, ob die Vögel aus dem Licht kommen oder dorthin fliegen. Sie könnten auch ins Dunkel unterwegs sein.
(Quelle: Darstellung des Menschen aus „Proportionen der menschlichen Gestalt“;
„Sieben Hügel II Dschungel“ Die Menagerie des Landgrafen Carl von Hessen Kassel
von Joh.M.Roos, 1722; Leonardo da Vinci ca. 1.500 n.Chr.)